Zur Karriere des Dauerhaften
Hausbiografien wertgeschätzter Wohnungsbauten aus den Jahren 1915 bis zur Gegenwart
Einhergehend mit dem rasanten Wandel im Zusammenleben der Menschen verändern sich fortlaufend auch Formen und Bedürfnisse im Bereich des Wohnens. Dies stellt den Wohnungsbau - will er dem Grundsatz der Nachhaltigkeit gerecht werden - vor grosse Herausforderungen. Es gilt, zwischen der materiellen Dauerhaftigkeit des Gebauten und den sich mit zunehmender gesellschaftlicher Veränderungsdynamik wandelnden Nutzungsansprüchen zu vermitteln. Dabei kann die Entwicklung von dauerhaften Lösungen für den Wohnungsbau nicht alleine über eine Analyse des aktuellen Geschehens geleistet werden. Der Einbezug einer historischen Analyseperspektive vermag wertvolle Erkenntnisse zu liefern über zentrale Merkmale bereits bestehender, dauerhaft wertgeschätzter Bauten. An diesem Punkt setzt das vorliegende Forschungsprojekt an.
Das Ziel der Studie ist es, vertiefte Erkenntnisse über Bandbreite, Merkmale, Erfolgsbedingungen und Kriterien der Wertschätzung von anonymen, der Alltagsarchitektur zugehörigen Wohnungsbauten zu gewinnen. Dazu wurden vier detaillierte Einzelfallanalysen zu den Gebrauchsgeschichten der Innenräume und des Wohnumfelds von Wohnbauten in städtischen Lagen erstellt und miteinander verglichen werden. Für die Untersuchung werden Bauten verschiedener Bauepochen in der Stadt Zürich ausgewählt. Die Objekte sind bis heute genutzt, stammen aus den Jahren 1915 bis ca. 1990 und wurden entweder von kommunalen, genossenschaftlichen oder von privaten Bauträgern errichtet. Zusätzlich weisen sie unterschiedliche Lagequaliäten auf. Die gewählten Objekte weisen Qualitäten auf, die sie bis heute zu beliebten Miet- und Eigentumsobjekten machen. Sie haben unter Beweis gestellt, dass sie das Potenzial zur mehrmaligen zeitbedingten Anpassung an differenzierte Nutzungsanforderungen besitzen.
Ausgehend vom Postulat der nachhaltigen Entwicklung von Stadt- und Siedlungsraum konzentriert sich die Untersuchung besonders auf die bislang in der Forschung zum Wohnungsbau wenig beachteten Kriterien der kulturellen und lebensweltlichen Dimension, die massgeblich zur Langfristigkeit und Langlebigkeit von Gebäuden beitragen. Indem die bisherige, eher technisch orientierte Forschungsperspektive der Wohnbauforschung um eine kulturhistorische Perspektive erweitert wird, gelingt es dem Projekt, die gesellschaftliche Praxis des Umgangs mit den Wohnbauten, die Aneignungsweisen und die Nutzungen sowie die Beurteilungen eines Hauses im Verlauf seines Lebenszyklus durch die Bewohnerschaft, die Eigentümer und die Öffentlichkeit zu fokussieren. Dabei rücken jene Eigenschaften, Merkmale und Bedingungen von Qualität der Objekte ins Zentrum der Untersuchung, die massgeblich zu ihrer besonderen, oft über Generationen hinweg andauernden Wertschätzung durch die Bewohner, die Eigentümer und die Öffentlichkeit beitragen.
Das Projekt gliedert sich in zwei Phasen. Zentrale Untersuchungsdimensionen der ersten Phase sind die baulich-strukturellen Merkmale, die Baugeschichte sowie die Nutzungen und soziodemografische Entwicklung der Bewohnerschaft von fünfzehn ausgewählten Objekten. Die Beschreibung der Objekte orientiert sich an dem in der Wohnforschung gut etablierten Wohnbewertungssystem (WBS). Die Ergebnisse dieser ersten Phase führen zur Entwicklung eines auf andere Kontexte adaptierbaren interdisziplinären Analyseinstrumentariums.
In einer zweiten Phase werden vier Beispiele einer vertieften Analyse unterzogen. Im Zentrum dieser Forschungsphase stehen qualitative Interviews zur Nutzungsgeschichte und zur Einschätzung der räumlichen, kulturellen und ästhetisch-emotionalen Qualitäten mit unterschiedlichen Betroffenengruppen.
Dieser zweistufige vergleichende Ansatz erlaubt einen systematischen Überblick über Typen, Eigenschaften und Qualitäten von Wohnanlagen vor ihrem jeweiligen kulturellen Kontext.
Das innovative Wissen über Karrieren, Kontinuitäten und Wechsel von Konzepten und Eigenschaften von wertgeschätzten Qualitäten wird systematisch der Forschung und Realisierung zukünftigen Wohnbaus verfügbar gemacht. Die Ergebnisse des Projekts sind als Publikation (dt.) für ein breiteres Publikum im Niggli Verlag veröffentlicht.